Railway Prayas
Prayas, die NGO in der ich arbeite betreibt viele verschiedene Programme und Projekte, die vor allem Kinder und deren Lebensumfeld zu Gute kommen. Neben dem Hauptfeld, der Bildung für Kinder und Jugendliche (zB in Form der AECs, vocational training classes (Berufsausbildungskurse), oder sonstige Fortbildungsmöglichkeiten), sind das Projekte für Straßenkinder, Jugendliche, die in Konflikt mit dem Gesetz geraten sind, Waisenhäuser, micro finance Projekte und vieles mehr. Sie sind in vielen Staaten Indiens vertreten und eine der größten indischen Nichtregierungsorganisationen in ihrem Gebiet.
Um mir einen besseren Eindruck der Arbeit der verschiedenen Projekte zu verschaffen habe ich in der vergangenen Woche in einem Projekt gearbeitet, das den Namen „Railway Prayas“ trägt.
mit 5 von zu Hause abgehauen - Manish
Dieses Projekt beschäftigt sich hauptsächlich mit so genannten „Railway Children“, also Kindern, die von ihren Familien, ihren „Besitzern“ oder anderen Umständen abgehauen sind und an den Bahnhöfen Indiens leben.
An den Bahnhöfen Delhis kommen wöchentlich etwa 150 solcher Kinder an (80% davon sind Jungen). An den Bahnhöfen sind die Kinder ein leichtes Opfer für Kriminalität und Missbrauch und finden selbst nur schwer den Weg hieraus. Prayas kann wöchentlich etwa bis zu 15 Jungen helfen(Das Projekt versorgt zur Zeit nur Jungen, es gibt aber auch einige Organisationen, die ausschließlich Mädchen aufnehmen). In Zusammenarbeit mit anderen NGOs und der Polizei kann derzeit etwa hundert Kindern geholfen werden.
Outreach worker von Prayas arbeiten an den drei größten Bahnhöfen in Delhi. Sie suchen nach den Kindern, sprechen mit ihnen und versuchen ihnen zu erklären worin die Vorteile liegen nun mit ihnen zu kommen. Die Überzeugungsarbeit ist nicht immer einfach, verdienen sie doch häufig durch betteln aber auch durch Diebstahl ein wenig Geld für sich.
Sind die Kinder dann identifiziert und bereit sich helfen zu lassen werden sie in ein Büro direkt an der Station gebracht (auch betrieben von Prayas), wo dann einige Daten aufgenommen werden und die Kinder ihre Wünsche äußern können. Prayas richtet sich bei dem weiteren Verfahren nach dem Willen des Kindes.
Das Drop-in Center in der Nähe des "Lahore Gate"
Will es etwa wieder zurück zu seiner Familie wird alles getan, damit ihm das ermöglicht wird. Etwa 60% aller identifizierten Kinder können erfolgreich zu ihren Familien gebracht werden. Es gibt aber auch Kinder, die nicht mehr zurück möchten. Denen wird dann ein Platz in einem Shelterhome gesucht. Zuvor jedoch können alle Kinder 24 Stunden in einem der beiden Drop-in Center verbringen, wo sie Essen, Schlafen, Spielen und sich waschen können und unterrichtet werden (Derzeit bieten die beiden Center Platz für bis zu 40 Kinder). Nach den 24 Stunden werden sie offiziell registriert in einer staatlichen Behörde(Child Welfare Committee-CWC). Von dort aus werden ihnen dann zunächst Plätze in Shelterhomes zugeteilt. Auch den Kindern, die wieder zurück nach Hause gebracht werden sollen, da der Prozess die Familien zu finden einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Prayas arbeitet da eng mit der Polizei und anderen Kontakten in den jeweiligen Staaten zusammen.
In der Zeit in der ich da war hatte es gerade eine so genannte Rescue-Aktion mehrerer Organisationen und der Polizei gegeben, bei der viele Kinder gleichzeitig von der Plattform gerettet werden konnten. 8 dieser Kinder kamen in das Drop-in Center, in dem ich hauptsächlich arbeitete. Ich begleitete die Kinder den ganzen Tag. Zunächst half ich der Lehrerin beim unterrichten und beschäftigte mich auch nach dem Unterricht noch ein wenig mit ihnen, bevor zwei der „Caretaker“ und ich mit ihnen zum CWD gefahren sind.
Nacheinander werden die Kinder im CWC registriert
Dort wurden sie zunächst registriert und anschließend in das große „Prayas Shelterhome for Boys“, das sich ganz im Norden der Stadt befindet, eingeteilt. (Es ist nicht immer der Fall, dass die Kinder, die im Drop-in Center von Prayas ankommen auch unbedingt in eines der vier Shelterhomes von Prayas weitergeleitet werden. Es gibt noch viele weitere Organisationen in Delhi, die Waisenhäuser betreiben).
Im Taxi auf dem Weg zur Registrierung haben einige Kinder gesungen, was sie sonst auf der Straße zum Betteln gesungen hatten. Außerdem erzählten manche von ihrem Lebenslauf.
Die Kinder waren im Alter von 10 bis 15. Ein Bruderpaar tat sich besonders hervor. Der fünfzehnjährige Sultan und sein zehnjähriger Bruder Manish waren vor 5 Jahren von zu Hause abgehauen. Sie seien in der vergangenen Jahren schon in allen wichtigen Touristenplätzen Indiens gewesen. Sie sind unheimlich selbstständig und sehr vorlaut und frech. Ein andrer Junge versucht ununterbrochen mich zu provozieren, indem er sexuelle Zeichen andeutet. Er ist zehn Jahre alt.
Angekommen im Shelterhome
Railway Prayas besteht aus 18 Mitarbeitern. Darunter zwei Lehrer, fünf Outreach Worker, 2 Köche, einige Caretaker und weitere. Das Projekt wurde 2004 gegründet(zu der Zeit noch in Zusammenarbeit mit einer anderen NGO). Damals noch mit einem Drop-in Center und nur an einem Bahnhof aktiv. Seit der Gründung konnte etwa 10.000 Kindern geholfen werden.
Neben dem Hauptprojekt gibt Railway Prayas können etwa 25 Kinder täglich in das Drop-in Center in Nabi Karim kommen und dort kostenlose Bildung genießen. Außerdem werden, wieder in Zusammenarbeit mit der Polizei, „Rescue Operations“ in diesem Stadtteil, in dem vor allem Taschen und Koffer hergestellt werden, geplant und durch geführt, bei denen arbeitenden Kindern geholfen wird und die „Arbeitgeber“ bestraft werden.
In Zukunft plant der Projektmanager Varun das Projekt weiter auszubauen. Es sollen noch weitere Projekte in anderen Staaten gegründet werden. Eines gibt es schon im Staat Bihar, dem wohl ärmsten Staat Indiens. Des weiteren läuft zum einen ein Verfahren zur Anerkennung der beiden Drop-in Center als Langzeit-Shelterhomes (damit die Kinder länger als die bisherigen 24 Stunden bleiben können) sowie einer weiteren Outreach Station an einem weiteren Bahnhof in Delhi.